Texte - Herbert Stepan - Über meine Arbeit

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Herbert Stepan

Über meine Arbeit

Der Mensch

Im Portrait will ich dem Wesen des Dargestellten Ausdruck geben. Unter den vielen Aspekten, unter denen man das Menschenbild sehen kann und die der heutigen Situation des Menschen gerecht werden können, erscheint es mir erstrebenswert, seelische und geistige Werke, und die Relation aufzuzeigen, in der er zu seiner Umwelt steht. Das milieubetonte, konventionelle Erscheinungsbild genügt nicht, das wahre Wesen eines Menschen zum Ausdruck zu bringen. Die Bildnismalerei ist ja in erster Linie eine geistige Tätigkeit. Sie behandelt ein geistig-seelisches Thema und verbindet über die Information hinaus Erscheinung und Innenbild zu einer neuen Wesenseinheit. Ein Portrait ist daher nur dann gut, wenn es gelingt, die private menschliche Situation in eine allgemeine umzuformen und aufzuzeigen, wo der dargestellte Mensch Zugang zum Universellen hat. Beschaulichkeit, Anekdotisches oder eine milieuhafte Situation sind für mich nur von fragmentarischer Wirklichkeit. Es ist mein Wunsch, über das Augenblicksbild des Dargestellten hinauszugelangen. Das innere Bild muss über das äußere hinauswachsen. In Aufmerksamkeit und Gelassenheit, in einer Malweise, die den zu vermittelnden Inhalt verinnerlicht, ja überhöht, in der Setzung sinnvoller Kompositionsakzente, in einer erstrebten äußersten Prägnanz der Umschreibung sehe ich meine Aufgabe, das Portrait nicht sosehr als Produkt einer Empfindung sinnlicher Wahrnehmung, sondern vielmehr als eine Definition herauszuarbeiten. Das Bild als Komposition wird in eine abstrakte Formordnung gebracht, die räumliche Wirkung zugunsten flächiger Bezüge reduziert. Das Licht ist nicht Beleuchtung, sondern „vergeistigtes" Licht. Die Farbe begleitet die Zeichnung, die immer die Akzente setzt. Der Meinung, dass bei der Darstellung des Menschen heute nur Problematik einen speziellen Zeitausdruck verbürgt - eine Meinung, die diktatorisch nur Zwangsvorstellungen und schockierende Behauptungen gelten lassen will -, dieser Meinung, dieser Einschüchterung, mochte ich bewusst mit meiner Arbeit entgegentreten und für mich versuchen, unvergängliche menschliche Werte nicht nur als Möglichkeit, sondern als Wahrheit im Bild vom Menschen festzuhalten. Allein schon die reiche Vielfalt menschlicher Physiognomien, diese, des Wunderns und Staunens werte Vielfalt des Erscheinungsbildes, rechtfertigt die Aufzeichnung und fordert Ergründung und Deutung. Sicher gibt es keine allgemeinen Prinzipien, von denen her der Mensch gesehen und beurteilt werden konnte. Sicher sind im Menschen die gegensätzlichsten Kräfte am Werk und sicher wäre eine schwärmerische Idealisierung verfehlt. Aber das Verlangen nach äußerer und innerer Schönheit und Haltung ist nicht bloße Schöngeisterei oder gar beruhigende Lebenslüge. Und vielleicht bedarf der Mensch besonders heute einer Gesinnung, die eine Neubewertung, eine Widerfindung möglich macht. Ebenso bedarf es einer Neubewertung der Tradition, die Vergangenheit in Gegenwart einschließt. Dem Künstler obliegt es, den komplementären Kräften und den Möglichkeiten, die in der Menschennatur vereint sein können, nachzuspüren. Seine Absicht und sein formender Wille müssen den Sinneneindruck und die Wirklichkeitsform aus innerer Wahrnehmung heraus neu erstehen lassen. Er muss ihr in neuen Zusammenhängen Gestalt geben können und sie - im Bilde würdigend, ja gefeiert wie ein Geschenk — anderen vor Augen bringen. Ist es nicht rühmenswert, im menschlichen Antlitz die Spuren des Weges zu zeigen, eines Weges, der für jeden ein Hinausschreiten über gestellte Bedingungen bedeutet, durch Selbstverwirklichung in der Erfüllung eines inneren Gesetzes? Es gilt noch immer und immer wieder, menschlichere Machte den furchtbaren Mächten der Selbstdeprimierung und des technokratischen Denkens entgegenzusetzen. Fehlende Wunschvorstellungen, schwankende Leitbilder im so rasch wechselnden Zeitgeist, gepaart mit Vorurteilslosigkeit gegenüber einander sich ausschließenden Gegensätzen, beschworen Passivität und die Verneinung herauf. Der Mensch, dem sein Erscheinungsbild nichts mehr bedeutet, der wird an sich selbst vorübergehen und er wird sein Weltbild nicht erneuern können. Aber gerade heute erweist sich nur tiefste Menschlichkeit als Größe. Jenseits von Thesen und Antithesen bleibt die Malerei eine Sprache von Mensch zu Mensch. Es ist die Sprache der Poesie, die überzeugen kann, aber nicht überreden will. Oder kann denn heute nur Herausforderung zur Anteilnahme zwingen? Soll Problematik oder die Übereinstimmung mit der unmittelbaren Gegenwart - mit dem Zeitgemäßen also - entscheidend für den Rang eines Kunstwerkes sein? Aktualität verbürgt noch lange nicht den Wahrheits- oder Wirklichkeitsgehalt eines Werkes! Nicht zur Zeit des Entstehens und auch nicht später - nie lässt sich der Rang eines Kunstwerkes allein nach dessen Aktualität werten. Die Zeitlosigkeit echter künstlerischer Aussage ist aber in einem anderen Sinne lebendig und bedarf keiner provozierenden Absicht, ihren Rang zu erweisen. Die Werke vergangener Kunstepochen sind in ihrer geistigen Gegenwart eine überzeitliche Gegenwart - in ihrer Unabhängigkeit von der Zeit also — sogar Zeitüberlegenheit. Es kann nicht der höchste Anspruch der Kunst sein, mit der Zeit, mit der Gegenwart überein zustimmen.

Die Landschaft

Mein Glaube an unveränderliche Gegebenheiten des menschlichen Wesens bestimmt meine Beschäftigung mit der Natur, mit der Landschaft. Es ist nicht die Unbegrenztheit einer unberührten Landschaft, die mich zur Darstellung zwingt. Es ist die mir nahe Umwelt, es ist die Beziehung zu ihr, die ich zu schildern versuche. Es ist die Welt, die ich gleichsam aus dem Fenster blickend betrachte, die ich als Spaziergänger erlebe. In Baumgruppen, Häusern, in Gärten suche ich nicht die romantische Idylle, nicht das malerische Objekt. Ich suche Dingen habhaft zu werden, indem ich meine seelische Beziehung zu ihnen realisieren will. Der Mensch ist in die Landschaft nicht nur einbezogen, er ist unlöslicher Teil der Gesamtkomposition. Und so soll auch der Betrachter in das Bild einbezogen werden. Er soll sehen, erleben und auf die Zeit vergessen können.

Blätter, Blüten, Blumen

Das Stillleben hat sich in seiner überkommenen Form immer wieder und durch viele Zeiten hindurch und in allen Stilrichtungen als ein eminent künstlerisches Thema erwiesen, in dem nicht nur malerisches Können, Kunstfreudigkeit, Ästhetik oder Liebhaberei am bescheidensten Motiv sich selbst allein interessant war, sondern das auch weit darüber und aus aller Beiläufigkeit heraus — eine durchaus verzauberte Welt der Sinne und des Gemüts entstehen ließ. Mein Wunsch ist es, diese Welt des Unbeseelten, diese geliebte Dingwelt - wie eine Gabe, wie ein Geschenk dem Betrachter vor Augen zu führen – und so eine andere Beziehung zwischen ihm und dem geschauten Ding entstehen zu lassen. Durch eine erdachte Gegenüberstellung und durch formale Bezüge soll - bei schönster Gegenwärtigkeit - eine symbolische Anspielung versucht sein, die das Motiv vom Milieu weg in eine andere Dimension bringen könnte, in der Absicht, die glückhafte Freude zu vermitteln, die ich dank barst selber dabei erleben darf. Dieses Bekenntnis vom Sinn meiner Arbeit und diese Gedanken über mein künstlerisches Suchen mochte ich nicht ohne Dank beenden: Es ist der Dank an meinen Lehrer Karl Sterrer, der mich wahrend meines Studiums an der Akademie der bildenden Künste in Wien auf die wesentlichen Fundamente einer künstlerischen Gestaltung und auf eine ihr notwendig zugrunde liegende geistige Auffassung verwies. Er bestärkte mich, einen Weg der inneren Gewissheit zu suchen und meine Fähigkeiten nach eigenem Willen zu entwickeln. Und noch ein Dank: für die lebenslange Freundschaft, die mich mit dem verstorbenen Maier Rudolf Heinz Keppel verbunden hat. Unser beider künstlerischer Werdegang war von unserer Freundschaft getragen und geprägt. lm Suchen nach dem jeweils eigenen Wesensausdruck war jeder des anderen strengster Kritiker, das aber nicht mit vor gefassten Meinungen und nicht in eigenen Zielen befangen, sondern stets im Vergleich mit einem Werk, das am bezeichnendsten ein Äußerstes seiner oder meiner Leistung erwarten ließ. Einig in den grundsätzlichsten Fragen und Anschauungen, begeistert und beflügelt durch die Betrachtung großer Kunstleistungen, haben wir einander unsere Arbeit abverlangt. Wir haben es dabei vermieden, aufeinander Einfluss zu nehmen und haben immer die Eigenart des anderen bedingungslos respektiert und bejaht. Ich danke meinem Weggefährten im Leben und in der Kunst. Für das Zustandekommen dieses Oeuvre-Kataloges danke ich dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst und der Kulturabteilung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung.

 
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