Eröffnungsrede - Herbert Stepan - Rudolf Heinz Keppel

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Herbert Stepan

Einführende Worte zur Ausstellung

Rudolf Heinz KEPPEL

Im Wiener Künstlerhaus 20.3. - 20.4.1952

Die Bilder des Malers R. H. KEPPEL sind erstmals in einer großen Kollektion ausgestellt. KEPPELs Werk ist Zeugnis einer Weltschau, die ihren Ursprung in jenen Bezirken des Erlebens hat, in denen die Gestalt des Menschen über das Einzelmenschliche hinaus Träger eines Lebens- bewusstseins ist, für das die Vorstellung maßgebend ist.

Seine Kunst zeigt den Menschen nicht wie er ist, sondern seine Idee, seine mögliche Vollendung. Wie alle große Kunst immer dichte- rische Weltdeutung war, so ist es auch bei KEPPELs Bildern. Er schafft Bilder von kultischem Wert. Sein Werk führt wieder in eine große Bindung zurück und hat "religiöse" Überzeugungskraft. Seine Ausdruckmittel sind die der heutigen Zeit. Sein Werk ist Malerei, er lässt die Form aus der Farbe entstehen, aus einer Farbe von großartiger Intensität, die an die der alten Meister ge- mahnt. Er braucht die Naturform nicht, indem er sie betrachtend wiedergäbe. Die Hände, die Glie- der seiner Gestalten, sind nicht anatomische Funktionen, sind nicht Steigerung oder Vereinfachung einer Naturform, sondern künstlerische Inbeziehungsetzung. Was sollte dieser ursprünglichen schöpferischen Gestaltung auch die naturalistische Betrachtung? Was sollte ihr individueller Rea- lismus, gefühlsbetontes Milieu bedeuten können? Er malt keinen säenden Bauern, kein bäuerliches Motiv, nicht die Frau in ihrem Wirkungskreis, nicht ein beobachtetes oder betrachtendes Bild eines Arbeiters; er malt den samenstreuenden Mann, das Element des Weibes in der Schöpfung, den tä- tigen Menschen. KEPPELs Bild ist ein Organismus, der einer künstlerischen Logik entspricht.

Die Themen seiner Bilder sind klar und verständlich.Ihr Wert liegt aber nicht im Literarischen. Mit eindringlichen Gebärden gewinnt ein neuer Lebensglaube, eine kraftvolle Daseinsbejahung Ge- stalt. Es ist eine neue Einheit, die sich in uralten und neuen Themen manifestiert. Zwischen Gene- sis und Apokalypse, den uralten Themen der Menschheit, stehen Mann und Weib, die Einheit des Geschlechts, im Mittelpunkt der Themen, der Mann als Säer, das gesegnete Weib, Mutterschaft, das Kind, das Alter, der Tod. All diese Themen verdichten sich zu Sinnbildern, sei alle rühren an das Geheimnis des Seins. Seine Schöpfungen sind wahr und darum sind sie schön.

Die tiefe seelische Wirkung seiner Bilder führt zu einem Glauben und zu einer Forderung: zu dem Glauben an die große ewige Aufgabe der Kunst auch in der Gegenwart und zu der Forderung, bei absoluter Lebensbejahung sich als geistige Substanz zu begreifen.

Ergriffen und begeistert steht man vor dem Werk dieses Malers, das fern von jedem Persönlich- keitskult aus größter Hingabe geschaffen ist.

 
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